Die hauptamtliche Geigerin von ARCADE FIRE und BELL ORCHESTRE beweist mit einem nahezu reinen Solo-Streicheralbum Mut und hat überraschenderweise erstaunlich griffige Kompositionen in petto, was angesichts ihrer Inspiration - unter anderem Steve Reich und Arthur Russell - nicht zu erwarten war. Vielleicht liegt es an Erased-Tapes-Intimus Nils Frahm, der die Produktion im Rahmen der Feldaufnahmen in und um Berlin betreute, aber wie dem auch sei ...

Nach der verheißungsvoll dröhnenden Einleitung "Tower" erweist sich das Titelstück als mit Stampfen und Pochen unterlegtes Ohrwurm-Motiv - ein Mehrwert, den neben Frahms Piano-Beitrag "Forecelessness" nur noch das spannungsgeladene "Breathing Black Ground" und der Abschluss "Below" (Meeresrauschen in der Hauptstadt?) besitzt, weil die Künstlerin hier im Hintergrund haucht. Das verschmitzte Doppel aus "Sprinter Fire" und "Dirt" steht den beiden "Thought"-Stücken stimmungsmäßig gegenüber, "Wrong" kürzer und vehementer, "Right" minimalistischer und gedämpfter, erst ein-, dann mehrstimmig.

Fast folkloristisch mutet Neufeld mit dem gezupften "They Live On" sowie während "You Are The Field" an, gäbe es nicht zuweilen atonale, wenn auch nie schroffe Passagen. Dennoch ist "Hero Brother" kein irgendetwas dekonstruierendes Stück Postmoderne, sondern ein anheimelndes Kopfhörer-Album, bei dem die Stille - zum Glück nicht seltbstzweckartig - zum Gesamtpaket gehört.

FAZIT: "Hero Brother" ist ein gerade fürs Label Constellation erstaunlich kompaktes Album, sowohl von den Kompositionen her betrachtet als auch hinsichtlich der Instrumentierung, die jedoch keine Wünsche offenlässt. Man darf Geigen in vielen Kontexten als nervig und fiedelnd bezeichnen, hier klingt sie anheimelnd und weckt vor dem Hintergrund unterschiedlicher Locations gespielt zahlreiche Assoziationen, ohne rein materialhafte Musik zu fabrizieren. SARAH NEUFELD hat einige beachtenswerte Melodien und Arrangements im Programm.